Anhang

 

1.

Unsere Spezies konnte sich lange Zeit damit brüsten, eine in der Natur einmalige Sonderfähigkeit zu besitzen: Ähnlich wie eine Wahrsagerin, die in die Kristallkugel schaut, nimmt der Mensch im Geist planend die Zukunft vorweg. Intellektuell niedere Organismen scheinen dagegen nie über den Horizont des momentanen Augenblicks zu schauen und wirken sklavisch auf die Gegenwart fixiert. Die Gehirnteile, die bei der Entwicklung zum Menschen am stärksten ausgebaut wurden, sind auch tatsächlich mit der Vorbereitung zukünftiger Projekte befaßt. Es war daher eine Lektion in Bescheidenheit, als sich vor einiger Zeit herausstellte, daß auch viele unserer Mitgeschöpfe das geistige Rüstzeug für Futurismus und Zukunftsplanung besitzen. Afrikanische Schimpansen unternehmen zum Beispiel manchmal sehr lange Wanderungen, um an Granitsteine zu gelangen, die sie benötigen, um bestimmte schmackhafte Nüsse zu knacken. Dahinter steckt nicht nur ein vorausschauendes Denken und das Verständnis für Werkzeug, sondern auch die Fähigkeit, ein abstraktes Handlungsziel (Steine finden) im Hinterkopf zu bewahren, wenn gerade ganz andere Anforderungen (den Weg auskundschaften) bewältigt werden müssen.

Mittlerweile haben Forscher auch bei anderen Tieren den Sinn für kommende Zeiten entdeckt. Zum Beispiel bei afrikanischen Elefanten, die in weiser Voraussicht Wallfahrten zu entlegenen Wasserlöchern unternehmen, lange bevor der große Durst sich regt. Oder beim Eichelhäher, der je nach Bedürfnislage und mit überraschender Flexibilität Nahrungsvorräte für drohende Hungerzeiten vergräbt. Jeffrey M. Masson, ein bekannter Psychoanalytiker und Katzenexperte aus dem kalifornischen Berkeley, spricht auch unseren Haustigern »strategisches« Denken zu. Katzen verharren manchmal für sehr lange Zeit in der Nähe eines Loches, in dem eine Maus Unterschlupf gefunden hat. Diese Geste ist sogar ein Inbegriff für den Kern des kätzischen Wesens. Die gesamten Hirnfunktionen und Denkvorgänge der Katze sind sehr stark auf die Bedürfnisse eines einzelgängerisch lebenden Raubtieres zugeschnitten, das blitzschnell die Jagdsituation analysieren und seiner Beute immer einen Schritt voraus sein muß.

Selbst wenn sie gerade behaglich neben der Heizung dösen, rappeln sich Katzen zwischendurch immer wieder ohne erkennbaren Grund auf und folgen irgendeinem rätselhaften Impuls. Es kann zum Beispiel sein, dass sie nur mißtrauisch den Futternapf inspizieren (ohne zu essen) und befriedigt in Morpheus’ Arme zurückkehren, wenn die Welt in Ordnung ist. Wenn man das Tier abfängt und mit irgendwelchen Spielereien ablenkt, bevor es seine Absicht in die Tat umgesetzt hat, gerät diese oft in Vergessenheit – und die Katze haut sich unverrichteter Dinge aufs Ohr. Das bedeutet indes, daß das Tier von Anfang an nur einen vagen Gedanken im Kopf hatte und nicht von starken äußeren Reizen oder intensiven Trieben geleitet wurde.

Dem Analytiker Masson war einmal ein putziger Streuner zugelaufen. Der Besucher, dem es bei den Massons zu gefallen schien, machte es sich in der Nacht auf dem Bauch seines Gastgebers gemütlich. »Das Erstaunliche daran ist, daß das eine Masche war, ein Plan, den er in seinem süßen kleinen Katzenherz ausgeheckt haben muß.« Nach einer Woche, als für ihn feststand, daß er bleiben durfte, hörte er mit dieser Form des »Anbaggerns« auf und ließ sich nie wieder dazu herab.

 

Literatur: Jeffrey Masson: Katzen lieben anders. Ullstein Heyne List, München 2003

 

2.

Pärchenweise lud Noah die Tiere in seine Arche ein. Je ein Weibchen und ein Männchen sollten später unter Gottes Aufsicht eine Familie gründen. Was Noah in seinem Eifer übersah: Zahlreiche der ins Schiff aufgenommenen Paare dürften homosexuell gewesen sein.

Obwohl ein französischer Naturforscher schon vor 200

Jahren gleichgeschlechtlichen Sex bei Vögeln beobachtete, haben die Wissenschaftler Jahrhunderte lang aus Prüderie die »verbotene Liebe« unter Tieren vertuscht, verheimlicht, umgedeutet oder ganz einfach nicht wahrnehmen wollen. »Dabei ist eindeutig belegt«, so der Göttinger Anthropologe Volker Sommer, »daß sämtliche unter den Menschen praktizierten Varianten homosexuellen Verhaltens auch beim Tier vorkommen.«

Viele Würmer und Wildschafe, Möwen und Meerschweinchen legen – oft zusätzlich zum heterosexuellen Hauptinteresse – schwule Nebenseiten an den Tag und praktizieren ungeniert Dinge, auf die in islamischen Gottesstaaten noch heute die Todesstrafe steht.

Beim Sex mit »ihresgleichen« dominieren in der Natur zwar die Männchen, aber auch viele Weibchen sind aus ähnlichem Holz geschnitzt. Delfinweibchen schieben ihre Flosse in den Genitalschlitz der Partnerin, Bonobomännchen nuckeln am Penis eines anderen Männchens, und Seekühe bearbeiten die Männlichkeit ihres Partners mangels Händen mit den Flossen. Vom gelegentlichen Seitensprung bis hin zur lebenslangen Bindung haben Forscher alles beobachtet. Homosexuelle Silbermöwen- und Pinguinpaare bleiben sich tatsächlich ein Leben lang treu. 450 Tierarten haben Wissenschaftler bei der »Schwulitätsforschung« in flagranti ertappt. Das ist eine stattliche Zahl, schließlich haben die Verhaltensforscher von den weltweit auf mehrere Millionen geschätzten Tierarten bis dato nur rund 2000 Spezies wirklich gründlich studiert.

Bei so viel tierischer Homoerotik darf die Katze nicht abseits stehen. Auch bei unserem Stubentiger besitzen beide Geschlechter die Anlage, zumindest gelegentlich einen sexuellen Rollentausch vorzunehmen. Unter einem Dutzend Katern finden sich immer ein paar, die ein Faible für andere Männchen haben. Nicht nur die Weibchen der Hauskatze, auch einige ihrer großen und wilden Verwandten wurden schon bei lesbischen Techtelmechteln observiert. Nach Angaben von Paul Leyhausen, dem Konrad Lorenz der Katzenkunde, ist der schwule Akt ein bis auf die Penetration vollständiges Abbild der heterosexuellen Katzenliebe.

Auch der Glaube, daß die passive Weibchenrolle für Kater völlig unannehmbar sei, ist heute widerlegt. Kater schlüpfen beim Sex gelegentlich durchaus in die feminine Pose, sie müssen nur in Stimmung sein, und zwar außerhalb einer Vergewaltigungssituation. Aber auch die kommt vor. Man kennt sie aus zahlreichen amerikanischen Polizei- und Gefängnisfilmen. Fremde Kater, die man in einen Käfig mit einem etablierten Hausherrn steckt, werden nämlich häufig das Opfer seiner sexuellen Gewalt.

Weshalb die Homosexualität im Tierreich einen festen Platz hat, obgleich sie der Verbreitung der Gene Abbruch tut, darüber existieren zahlreiche Thesen. Der amerikanische Biologe Bruce Bagemihl stellt die provokative These auf, es sei Unsinn, beim Anblick schwuler Giraffen oder lesbischer Eichhörnchen über einen rationalen Sinn zu grübeln. Vielmehr sei die Homosexualität Ausdruck der Spielfreude der Natur – mehr nicht.

 

3.

Obwohl die körperlichen Voraussetzungen gegeben sind, bleibt es eine offene Frage, ob Katzen beim Liebesakt einen Orgasmus haben. Genau genommen ist es in der Wissenschaft immer noch ungeklärt, wann und warum die Natur ihren Geschöpfen überhaupt die »Prämie« des sexuellen Höhepunktes angedeihen ließ. Im Prinzip ist es nämlich durchaus möglich, sich ohne Lustempfinden fortzupflanzen – so wie einige Kirchenmänner es gerne hätten. »Ich beobachte immerzu Holzbienen, die sich gerade paaren«, erklärt der amerikanische Zoologe John Alcock, »aber ich kann nicht erkennen, ob sie dabei irgend etwas empfinden, was auch nur im Entferntesten mit unseren Vorstellungen von Vergnügen zusammenhängt.« Um so einfacher die Lebewesen sind, um so schwieriger wird es, an ihren Reaktionen Ekstase und Liebesglut abzulesen. Die Probleme sind noch größer als bei einem menschlichen Casanova, der auch schon das Wort von Madame für bare Münze nehmen muß.

Auf jeden Fall zeigen die meisten Säugetiere ein auffallendes Interesse an Sex und sind bereit, Strapazen zu ertragen, um ihn zu bekommen. Das ist das beste Zeichen dafür, daß er ihnen Spaß bereitet. Die männliche Ratte erweckt mit ihrem ganzen Habitus den Eindruck, dass sie beim Koitus einen phantastischen Abgang hat. Nach der Ejakulation stößt sie noch einmal kräftig zu, richtet sich langsam mit den Hinterbeinen auf und bekommt einen glasigen Blick, der nur wenig zu deuten übrig läßt. So glauben denn auch die meisten Wissenschaftler, daß zumindest die männlichen Säuger – einschließlich der Kater – den Gipfel der sexuellen Wollust erklimmen. Es war allerdings in der Stammesgeschichte auch sehr sinnvoll, den männlichen Tieren die aufpeitschende Gier nach dem Orgasmus einzuflößen. Männchen können nämlich ihre genetische Fitness steigern und mehr lebensfähige Nachkommen erzeugen, wenn sie lüstern viele sich bietende Sex-Gelegenheiten beim Schopf ergreifen. Weibchen, die die Hauptlast bei der Fortpflanzung zu tragen haben, wären hingegen schlecht beraten, wenn sie sich auf jedes unverbindliche Abenteuer einließen.

Ob die Evolution auch den weiblichen Säugetieren die »Fortpflanzungsarbeit« mit der ultimativen Lustprämie des Orgasmus versüßt, erscheint vielen Gelehrten zweifelhaft. »Der weibliche Orgasmus scheint bei den meisten Arten durch Abwesenheit zu glänzen«, konstatiert der amerikanische Psychologe Roy E. Baumeister, »und es gibt weithin viele Anzeichen dafür, dass männliche Tiere dem Sex mehr Lust abgewinnen können als weibliche.«

Immerhin können Frauen ohne Orgasmus und sogar ohne angenehme Empfindungen befruchtet werden. Bei männlichen Säugetieren schlägt das vegetative Nervensystem regelrecht Purzelbäume, wenn der Same unter euphorischen Zuckungen aus dem erigierten Penis schießt. So schnellt der Blutdruck männlicher Hunde im Augenblick der Ejakulation steil nach oben. Bei der Hündin weist der Blutdruck zwar auch einige Schwankungen auf, doch nähert sich keine von ihnen auch nur entfernt dem plötzlichen Ansteigen, das beim Rüden im Augenblick der Ejakulation zu verzeichnen ist. Ein Kulminationspunkt der Erregung, der auch bei der Menschenfrau den Eintritt des Orgasmus markiert, ließ sich bisher im Tierreich nur bei Äffinnen dingfest machen.

Früher zogen einige Forscher noch die Möglichkeit in Betracht, daß das bizarre postkoitale Verhalten der weiblichen Hauskatze auf eine orgiastische Erfahrung hinweist. Direkt nach dem arttypischen »Quickie« geben Katzen-Damen nämlich einen explosionsartigen Schrei von sich und wenden sich plötzlich voller Zorn gegen ihren »Beglücker«. Die arabischen Naturkundler des frühen Mittelalters schlossen daraus, daß der Deckkater seiner Gespielin ein ätzendes Ejakulat einverleibt. »Sie hat große Schmerzen, weil das Sperma brennt, und sie schreit so lange, bis sie dies ausgestoßen hat.« Dann windet sich die Katze heftig und wälzt sich halb krampfartig umher. Wiederholt wird die Vulva geleckt, und das Weibchen lässt sich nicht mehr besteigen, bis das seltsame »Nachspiel« beendet ist. Ob dieses Verhalten tatsächlich eine Erregungsklimax widerspiegelt, die dem männlichen Orgasmus entspricht, bleibt allerdings zweifelhaft. Der abrupte Sinneswandel dürfte eher eine andere Erklärung haben. Der Penis des Katers ist an seiner Spitze mit zahlreichen Dornen bespickt, die in der Scheide vermutlich eine schmerzhafte Reizung hervorrufen. Diese Traktierung löst bei der Katze den sogenannten »induzierten« Eisprung aus.

 

Weiterführende Informationen: Rolf Degen Vom Höchsten der Gefühle. Wie der Mensch zum Orgasmus kommt.

Eichborn Verlag, Frankfurt, Herbst 2004

 

4.

Von den reproduktiven Fähigkeiten der Katze könnten sich ältere Herrschaften unserer Spezies noch eine Scheibe abschneiden. Kater erledigen das »Fortpflanzungsgeschäft« bis in ein hohes Alter, in dem viele gestandene Mannsbilder nur noch mit Hilfe von Viagra die Macht der Schwerkraft überwinden. Ältere Katzendamen bleiben bis zu einem Zeitpunkt fruchtbar, den die Frauen unserer Gattung nicht einmal mit den fortgeschrittensten Reproduktionstechnologien erreichen können. Es sind Fälle von Katern dokumentiert, die noch mit 16 Lenzen erfolgreich für Nachkommen sorgten. Das entspricht einem menschlichen Seniorenalter von 78 Jahren. Weibliche Katzen haben nachweislich mit 12 Lebensjahren noch Katzenkinder auf die Welt gebracht. Das ist etwa das Äquivalent von 65 Menschenjahren. Diese extreme Fruchtbarkeit erlaubt es einer Katzendame, in einer durchschnittlichen Lebensspanne Mutter von 35 Würfen oder umgerechnet 144 Kätzchen zu werden.

Im Unterschied zur Katze – und unseren nächsten Verwandten im Tierreich – verlieren die Frauen des Menschengeschlechtes die Fähigkeit zur Fortpflanzung, lange bevor ihr Körper durch Alterung hinfällig wird.

Die meisten Frauen sind in der sogenannten »Menopause« noch so robust, daß sie fast noch einmal so lange leben können wie bis zum Eintritt der Wechseljahre.

Im Tierreich hören die fruchtbaren Jahre der Weibchen dagegen meist erst kurz vor dem biologischen Ende auf.

Die Erfindung der Menopause, also einer »nachfortpflanzlichen« Lebensphase, gibt den Evolutionsbiologen ein großes Rätsel auf: Wenn die Evolution tatsächlich das Überleben jener Individuen begünstigt, die ihre Gene erfolgreich weitergeben, wieso hören die Frauen dann vorzeitig mit dem Weitergeben ihrer Gene auf?

Bereits in den 50er Jahren haben die Evolutionsbiologen eine Erklärung vorgestellt, die als »Großmutterhypothese« in die Literatur einging. Danach »lohnt« es sich ab einem gewissen Alter für eine Frau nicht mehr, zusätzliche Nachkommen in die Welt zu setzen, weil die Schwangerschaft dann zu viele Risiken birgt. Die erhöhte Sterblichkeit im Alter schafft zudem die Gefahr, daß die spät geborenen Kinder zu Waisen werden. Es bringt demnach für den Fortbestand der eigenen Gene mehr, in die bereits vorhandenen Kinder und Kindeskinder zu investieren.

So plausibel diese Erklärung auch klingen mag, so fehlte doch lange Zeit jegliche empirische Untermauerung. Diese Situation änderte sich erst, als Anthropologen in Tansania einen Stamm von Jägern und Sammlern – das Volk der Hadza – studierten. Deren Lebensweise ist vermutlich die größte Annäherung an das Menschsein im Naturzustand.

Die Forscher machten die Entdeckung, daß Großmütter überraschend viel Nahrung für ihre Enkelkinder sammelten und ihre Töchter auf diese Weise von der Nahrungssuche entlasteten. Die Unterstützung ermöglichte den Töchtern, in kürzeren Abständen mehr eigene Kinder in die Welt zu setzen. Im Grunde folgten die Omas dem genetischen Egoismus, da ihre eigenen Gene in den Töchtern und Enkelkindern weiter lebten.

Aber ohne dies bewusst anzustreben, lösten die Omas mit dieser Strategie vermutlich einen »Erdrutsch« in Stammesgeschichte aus, glauben die Anthropologen: Da die Frauen immer länger lebten, wurde auch die menschliche Kindheit immer länger, und damit die Phase, in welcher der Mensch sein Gehirn mit Wissen füllt. Das förderte die Evolution größerer Gehirne, die es unseren Vorfahren ermöglichte, Sprache, Werkzeuge und Kultur zu entwickeln. Eine ganz andersartige Theorie besagt, daß es bei uns Menschen keine fruchtbaren Großmütter gibt, weil ihre Fruchtbarkeit in unserer evolutionären Vergangenheit Probleme bereitet hätte. Sie hätten zum Beispiel länger gelebt als ihre Gatten und durch ihre Fertilität andere Männer angelockt. Aber damit hätten sie ihre bereits existierenden Kinder in Gefahr gebracht. Es ist nun einmal eine Tatsache, daß bei Naturvölkern viele Stiefkinder einer Kindestötung (Infantizid) zum Opfer fallen.

 

5.

Katzen und Christen hätten eigentlich unheimlich gut miteinander auskommen müssen: Sie waren beide aus der gleichen Kante der Welt nach Europa eingewandert und konnten einen hervorragenden Start verbuchen. Die Stubentiger teilten die Klausen mit den ersten frommen Einsiedlern und hielten die Mäuse von deren Speisen fern.

In der Bibel selbst finden Katzenartige – außer den Löwen – allerdings keine Erwähnung.

Sie sollen zwar in den ursprünglichen Niederschriften vorgekommen sein, wurden dann aber wieder ausgestrichen. Wie es heißt, nahmen die Juden der Katze die sakrale Rolle übel, die sie bei ihren Feinden, den alten Ägyptern spielte.

Das frühe Christentum war den Katzen jedenfalls anfangs wohl gesonnen. Nach einer frommen Legende hielt im Jahr 600 ein Wandermönch bei Papst Gregor I in Rom Audienz. Um die Demut und den Gehorsam des Mönches zu prüfen, verlangte der Papst von ihm, sein Liebstes zu opfern. Da zog der fromme Mann seine kleine Katze aus dem Ärmel seiner Kutte. Der Papst winkte lächelnd ab und holte ebenfalls eine Katze aus dem Ärmel.

Vor allem die einfachen Leute deuteten das Siegel der Mutter Maria in das »M« auf der Stirn vieler getigerter Katzen hinein. Die Katze war auch das einzige Haustier, das in den Klöstern einiger Nonnenorden gehalten werden durfte. In frommen Darstellungen wurde der Jungfrau Maria immer wieder auch ein Kätzchen beigesellt.

Doch im frühen Mittelalter, als der Einfluß der heidnischen Gottheiten endgültig dahinschwand und das Christentum seinen historischen Siegeszug antrat, ereignete sich ein fataler Sinneswandel. Mit einem Male begann das kirchliche Machtstreben, erbarmungslos alle Überreste des gottesleugnerischen Volksglaubens auszurotten. Der Katze wurde nun besonders grimmig nachgestellt, weil man sie mit verpönten Fruchtbarkeitskulten in Verbindung brachte. Auf dem gleichen Tier, das zuvor als willkommenes Sinnbild des Weiblichen und der Mütterlichkeit fungierte, lastete plötzlich der Ruf eines »Höllenbiestes«. Von nun an blies ihr der eiskalte Wind der Verfolgung entgegen.

Der Franziskanermönch Bruder Berthold von Regensburg predigte Mitte des 13. Jh. von der Kanzel, daß der Atem der Katze die Pest verbreite. Zugleich eiferte er mit scharfen Worten gegen Glaubensabtrünnige: »Der Ketzer heißt deshalb Ketzer, weil er in seiner Art keinem Tier so gleicht wie der Katze!« Die friedliche Zeit des ungestörten Mäusefangs und des gemütlichen Schlafens am warmen Herd war für Katzen endgültig vorbei, als Papst Innozenz VIII. im Jahre 1484 den folgenschweren Erlaß » Summis desiderantes affectibus«  herausgab. Darin verfügte er die Verfolgung und Tötung aller Katzen und derjenigen, die Katzen Unterschlupf boten. Letztere waren nach Ansicht der Kirche Hexer und Hexen, die mit dem Teufel im Bunde standen.

Zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert wurden alle abtrünnigen Sekten angeklagt, den Teufel in Gestalt einer großen schwarzen Katze anzubeten.

Glaubensgemeinschaften wie die Templer und Katharer wurden diffamiert, unaussprechliche Rituale abzuhalten, die angeblich in Kannibalismus, Opferungen von Kleinkindern, exzessiven Sexorgien und nicht zuletzt dem feierlichen Analkuss einer schwarzen Katze mündeten.

Zusammen mit Ketzern und »Hexen« wurden auch deren Katzen in die Hölle verdammt und der Inquisition preisgegeben. Mit der nun verstärkt einsetzenden Hexenverfolgung, die etwa 300 Jahre dauerte und im 16. bis 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, mussten auch unzählige Katzen durch Feuer, Schwert oder auf andere grausame Weise ihr Leben lassen. Oftmals genügte sogar der Besitz einer Katze, vor allem wenn diese schwarz und ihre Besitzerin alt und gebrechlich war, um als Hexe beschuldigt und verurteilt zu werden.

 An kirchlichen Feiertagen wurden besonders sadistische »Teufelsaustreibungen« an Katzen vorgenommen. Sie wurden allein oder zusammen mit Hexen, Kindesmörderinnen, Räubern oder Gottesfrevlern aufgehängt oder in Säcke eingeschnürt und im Wasser versenkt. Man übergoß sie mit Pech, schnitt ihnen Ohren und Schwänze ab, warf sie in siedendes Wasser. Zum Johannisfest wurden Katzen oft in einen Korb geworfen, den der Bischof feierlich in Brand setzte. In Ypern im westlichen Flandern war es im sogenannten »Katzenmonat« Februar üblich, lebende Katzen vom Kirchturm herunterzuwerfen. Erst sehr viel später wurde aus diesem Spektakel ein unbeschwertes Volksfest.

Trotz dieser unerbittlichen Verfolgung hielten viele Leute heimlich an ihren heidnischen Überzeugungen fest und schufen so die Voraussetzung dafür, dass die alte Katzenmythologie die Inquisition überlebte. So feiert die symbolische Querverbindung zwischen Frauen und Katzen in der modernen Kultur fröhliche Urstände; in Nordeuropa gelten schwarze Katzen wieder als Glücksbringer, und selbst die ägyptische Vorstellung vom göttlichen Ursprung der Katze hat das Dunkle Zeitalter ansatzweise überstanden.

 

6.

»Der Mensch ist ein denkendes Tier«, behauptete der römische Philosoph Seneca. Mit dem Schwimmen verhält es sich bei den Hauskatzen ungefähr so wie mit dem Denken bei ihren zweibeinigen Herrchen: Sie können es zwar, aber sie vermeiden es, wenn es irgendwie möglich ist. Die meisten Stubentiger würden sich niemals freiwillig ins feuchte Element begeben, und Salzwasser scheint ihnen besonders stark gegen den Strich zu gehen. Wenn es darum geht, ihr Fell zu retten, können aber auch die Wasserscheuesten Leisetreter mit ansehnlichen Schwimmkünsten aufwarten. Eine »Bademieze« wird daher im Wasser kaum untergehen, sofern sie nicht total erschöpft ist oder sich gegen eine übermäßig rauhe See bewähren muß. Die alten Ägypter hatten sich die Hauskatze übrigens nicht nur zum Bewachen der Kornkammern, sondern auch als Gehilfen beim Fischen zugelegt.

Die instinktive Abscheu vor dem Naß scheint unter anderem damit zusammenzuhängen, daß Feuchtigkeit das Katzenfell der Fähigkeit beraubt, gegen Kälte zu isolieren.

In wärmeren, südlicheren Gefilden stehen domestizierte Schnurrer dem Wasser auch etwas wohlwollender gegenüber. Die »Türkisch Van«, die auch als Türkische Schwimmkatze bezeichnet wird und deren Name sich von ihrer Heimat am salzigen Vansee in der Türkei ableitet, hat sogar einen Mordsspaß an der Verbindung H2O: Sie stürzt sich gerne ins Wasser und schwimmt zuweilen den ankommenden Schiffen entgegen. Auch bei den wilden Verwandten unseres sanften Mäusejägers gibt es wahre Wassernixen. Im Unterschied zum Löwen, der zwar wie alle Katzen schwimmen kann, jedoch kein besonderer Wasserfreund ist, legt der Tiger eine ausgesprochene Vorliebe für das nasse Element an den Tag. Bereits die Jungen plantschen ausgiebig im Wasser, und in der Sommerhitze scheint es für den Tiger nichts Angenehmeres zu geben, als eine erfrischende Schwimmpartie. Auch der Jaguar und der Serval schwimmen und fischen mit Leidenschaft. Die südostasiatische Fischkatze watet ganz selbstverständlich durch flaches Wasser und soll auch schwimmend und tauchend nach Fischen jagen. Der indischen Bengalkatze ist es sogar schwimmend gelungen, auf nahe am Festland gelegene Inseln umzusiedeln.

Obwohl sich Hauskatzen über Wasser halten können, können wir sie nicht bedingungslos dem feuchten Element überlassen. Gefahren lauern bei halbgefüllten Badewannen, Regentonnen und Swimmingpools. Glatte Ränder, die keinen Halt bieten, können leicht den Tod durch Ertrinken bedeuten. Deshalb halbgefüllte Badewannen nicht unbeaufsichtigt lassen, Regentonnen, die nicht bis an den Rand gefüllt sind, abdecken. Die Todesfalle Schwimmbecken läßt sich durch eine schräg hineingelegte Rampe entschärfen. Daß Katzen im Teich ertrinken, ist unwahrscheinlich. Damit sie sich jedoch nicht in den Wasserpflanzen verheddern oder nicht ans Ufer klettern können, sollte man den Uferbereich frei von Schlingpflanzen gestalten. Man kann eine ertrunkene Katze wiederbeleben, indem man sie an ihren Hinterbeinen faßt und sie kräftig zwischen seinen Beinen schwingt. Dies sollte das Wasser aus ihren Lungen entfernen und ihre Atmung stimulieren. Wenn der Atem nicht wiederkehrt, kann eine künstliche Beamtung und/oder Herzmassage erforderlich sein.

 

 

Ende Anhang